Fußboden

Auf dem Boden der Tatsachen 

Die Personen auf den Ansichtskarten werden oft in Bodennähe dargestellt. Sie sitzen entweder direkt auf der Erde, oder auf kleinen hölzernen Hockern, die gerade so ein paar Zentimeter über dieser schweben. Sie sitzen nicht nur auf dem Boden: Sie rauchen Tabak, waschen Wäsche, kochen und schlafen dort. Ein großer Teil der alltäglichen Arbeiten wird auf dem Boden verrichtet.

Die Ansichtskarten im Bestand des Rom e.V. vermitteln das Gefühl, dass das ganze Leben der abgebildeten Personen sich erstens draußen und zweitens auf dem Boden abspielt. Es wird der Eindruck erweckt, dass die abgebildeten Personen ein Leben innerhalb von vier Wänden, auf Stühlen und an Tischen nicht kennen. 

In vielen außereuropäischen Ländern und Kulturen ist es völlig normal, dass verschiedene Aktivitäten auf dem Boden oder in Bodennähe praktiziert werden. Ein Beispiel dafür ist die japanische Gesellschaft – hier ist es völlig normal, dass in traditionellen Kontexten z.B. auf dem Boden sitzend gegessen wird. 

kein „Kulturbonus“

Doch die dargestellten Menschen sind in keinem fernen Land verortet. Sie sind zum Beispiel in Deutschland, Griechenland, Frankreich und damit inmitten der europäischen und „kultivierten“ Mehrheitsgesellschaft dargestellt. Das bedeutet, dass den so dargestellten Menschen kein „Kulturbonus“ zugesprochen wird. Es ist viel schlimmer: Wenn Menschen so gezeigt werden und ihnen eine rassistische Fremdbezeichnung übergestülpt wird, wertet man die Menschen ab. Die Bilder erwecken den Eindruck, als hätten sich die abgebildeten Menschen nicht den heutigen Standards in ihren Umgebungen anpassen wollen oder gar können. 

Sie werden als nicht anpassungsfähig und sonderbar porträtiert. Dazu kommt eine Form der Romantisierung: Es wird so getan, als bräuchten die Menschen nichts außer ihrem Kochtopf, einer Waschschüssel und einem Lagerfeuer zum Leben. 

Die Wirkung der Bilder geht sogar noch weiter: Die so dargestellten  Menschen sollen primitiv wirken – als ob jede Form eines modernen Lebens an den Menschen vorbeigezogen wäre.Diese Ansichtskarten vermitteln dem Menschen, der sie betrachtet, dass die “Mehrheitsgesellschaft”  sich zunehmend kultivierte, während Menschen, die unter der rassistischen Fremdbezeichnung zusammengefasst sind, zurückblieben und noch stets ein einfaches Leben auf dem Boden führen.